Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was erzählen. Erst recht, wer zum Writer Cup nach Reutlingen fährt. Beim Bundesländer-Vergleichswettkampf der Journalisten hatte diesmal Baden-Württemberg das Heimrecht. Die golfenden Gelbfüße luden auf die dem Namen nach vielversprechende Anlage „Reutlingen Sonnenbühl“ hoch auf die Schwäbische Alb. Oben sein – ein verständliches Bedürfnis der in den vergangenen Jahren hinter Hessen, Bayern und Nordrhein-Westfalen meist abgeschlagenen Südwestdeutschen.
Das Team aus NRW hatte überraschend schon vorher die Waffen gestreckt, war gar nicht erst angereist. Warum, schwante den Titelverteidigern aus Hessen ein erstes Mal, als es nach knapp vier Autostunden, kurz vor Ankunft am Wettkampfort, durch ein Dörfchen namens Undingen ging. Es sollte nicht das letzte Undingen sein an diesem Tag.
Wobei: Der Weitblick, den das Alb-Augusta schon von der Driving Range aus bot, war fast so bestechend wie die Pferdebremsen, die das Aufwärmen der Gäste-Teams hautnah begleiteten. Wer sich traute, den bangen Blick von Armen und Beinen zu lösen, sah hinter sanften Hügeln am Horizont ein Riesenrad – unzweifelhaft eine Prophezeiung des bevorstehenden Auf und Abs.
Was folgte, könnte man wohlmeinend einen waschechten Golftest nennen oder – Emotionen gehören zum Spiel – einen Vollwaschgang fürs Handicap samt Schleudern, Trocknen und Mangeln. Unkonventionelle Golfbahnen gibt es vielerorts. Ein Großteil deutscher Golfplätze ist ohne den Gedanken an den Berufstand des Architekten errichtet worden. Im Golfclub Reutlingen Sonnenbühl aber haben sich progressive Geländedeuter selbst übertroffen.
Mehr als ein halbes Dutzend Bahnen haben sie erdacht, die das Zeug dazu haben, einen nachts heimzusuchen. Wer hat sie nicht ins Herz geschlossen, diese schwarzen Löcher Nummer 8, 10 und 15? Das Eine ein Par 4, epische 389 Meter, links grüßen die weißen Auspfähle, und der blinde zweite Schlag auf das mindestens 30 Meter tiefer liegende Grün erspart einem immerhin den Blick auf das neckische Natursteinmäuerchen, das am Hang frontal vor dem Grün wartet. Die 10: Ein Par 3 mit nominell 200 Metern über eine kleine Schlucht, die sich beim Lasern als 220 Meter entpuppen und gastfreundliche 205 Meter für die Damen.
Das Dritte ein Par 4, 90-Grad-Dogleg, mit einer zwischen zwischen Biotop und Ausgrenzen eingepferchten Landezone in rund 150 Metern Entfernung, gekrönt von einem bierdeckelkleinen Grün, in dessen steilster Schräge die Fahne steckt wie ein Gipfelkreuz – natürlich wieder blind anzuspielen.
„Ich weiß gar nicht, wie ich heute 36 Punkte gespielt habe“, wunderte sich der emotional durchgeschleuderte Dirk Reinmann nach der Runde über sein Nettoergebnis. Writer-Cup-Debütant Patrick Bühler trug für das Team Hessen sogar 40 Nettopunkte bei, Eva Pfaff stolze 34. Beim Rest der Truppe entsprach der Punkteschnitt dem spielerischen Erlebnis und wird diskret behandelt.
Nach den besten acht kumulierten Nettoscores plus den zwei besten Bruttoscores landeten die weitgereisten Hessen auf Rang zwei, fünf Schläge hinter Team Bayern, und fünf Schläge vor den drittplatzierten Baden-Württembergern, die ihre kühne Platzwahl nicht in einen Heimvorteil ummünzen konnten.
Die leckere Pasta aus der Clubgastronomie erleichterte den Verarbeitungsprozess des zuvor Erlebten, genauso wie das herzliche Willkommen durch die örtlichen Vorstandsmitglieder Jürgen Schaal und Bernd Ruof. Reutlingen ne va plus, könnte man mit dem Franzosen sagen, hätte Sonnebühl nicht die Nebelhöhle, die für ihre Tropfsteine weit über die Alb hinaus bekannt und immer einen Besuch wert ist. Bis wir dazu kommen, überlegen wir uns, mit welcher hessischen Golfanlage wir uns beim Heimspiel in spätestens drei Jahren revanchieren können.
Arne Bensiek
Commentaires