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Die Gelassenheit in Person - Man glaubt es kaum: Erich Stör 90 Jahre alt

  • jochenguenther
  • vor 2 Tagen
  • 3 Min. Lesezeit


Erich Stör, der langjährige Sportchef der Frankfurter Rundschau
Erich Stör, der langjährige Sportchef der Frankfurter Rundschau

Vor kurzem hat Erich Stör wieder in die Tasten gehauen, wie man früher gesagt hätte. Der Mann macht das gerne und regelmäßig, gelernt ist gelernt, er schreibt einfach gern, früher wie heute, hat Spaß daran und zu sagen hat er allemal was. Seine aktuellste Story ist eine Erinnerung an unselige Zeiten, 80 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs ist er tief hinabgetaucht in sein Leben, hat darüber berichtet, wie es war, als Neun-, Zehnjähriger in den letzten Kriegsjahren Frankfurt verlassen zu müssen, auf Landverschickung wie die private Evakuierung hieß. Erst wurde Klein-Erich zu Onkel und Tante in die Lausitz „verschickt“, viele Monate später fanden die Störs Unterschlupf im Westerwald, im Dörfchen Reichenborn, bei Weilburg.


Über solche Dinge schreibt Erich Stör gern, oder über Reisen, die er unternommen hat, etwa ins bulgarische Balkangebirge („Wir biegen von der Schipka-Höhe kommend neun Kilometer südlich der Stadt Gabrovo von der Passstraße E 85 rechts ab…“), er schreibt über Bücher, die er gelesen hat, Filme, die er gesehen hat, über Georg Büchner und Alfred Hitchcock, über Kunstgeschichte, Lokales und … natürlich über Sport.


Logisch, Sport hat sein halbes Leben bestimmt.


Und sein ganzes währt auch schon eine Weile: Am Samstag, den 24. Mai, wird Erich Stör, man glaubt es kaum, wenn man ihn sieht, 90 Jahre alt. 90, nicht 80. Eine kleine Feier im Familienkreis wird es geben, kein großes Brimborium, war ja nie sein Ding. Dabei ist der Mann immer noch auf Zack, für sein Alter ausgesprochen fit, das Haar voll, Auto fährt der ehemalige Rallyefahrer auch noch, ohnehin seine Leidenschaft, gerne flott in italienischen Schlitten und zuweilen auf Schnitzeljagden. Nur den Minigolf-Schläger hat er mittlerweile gegen den Spaten getauscht, im Garten rund ums Häuschen in Walldorf gib es immer genug zu tun.


25 Jahre ist es jetzt her, dass Erich Stör in der Frankfurter Rundschau seinen letzten Kommentar geschrieben hat. Bisweilen in der Zeit, da seine Redaktion oben im fünften Stock in der Großen Eschenheimer Straße in der Kantine zu Mittag aß – noch ohne irgendeine Idee, was das Thema des täglichen Sportkommentars sein könnte. Als die Bande dann satt herunterkam, hat Erich Stör en passant gesagt, er habe da mal was geschrieben zu dem und dem Thema. Manchmal hatte er danach die Beine auf seinen Schreibtisch gelegt, später war er noch einen Espresso trinken. Die Redaktion hatte ja alles im Griff, er machte allenfalls hie und da ein paar Vorschläge. Bessere meistens.  Er war ja schon ein großer Teamplayer, ehe das Wort Einzug hielt in den täglichen Sprachgebrauch, zu seiner Zeit nannte man das kollegial. Er stellte sein Ego zugunsten der Redaktion hintenan. Weltmeisterschaften, Europameisterschaften, Olympische Spiele, große Finals - bei den Top-Ereignissen war er nie vor Ort, da ließ er seine Redakteure ran, er kümmerte sich um die Organisation im Haus, ums Blatt, ums Layout und dass Texte und Bilder gut präsentiert wurden.    


Erich Stör war und ist ein Mann großer Gelassenheit, ein unaufgeregter Beobachter, der sich nie an sogenannte Stars herangewanzt hätte, er wahrte Distanz, selbst zu jenen, mit denen er gut bekannt war. Vielmehr holte er mit seinen Kommentaren so manches sportliche One-Hit-Wonder auf den Teppich zurück, Hype, Glanz und Glamour waren dem gelernten Bauschlosser eher suspekt. 1957 war est, so sein Kürzel, zur Frankfurter Rundschau gekommen, erst als Freier, dann Redakteur, ab 1985 übernahm er von Bert Merz die Ressortleitung im Sport bis 2000, lange 43 Jahre. Der gebürtige Frankfurter engagierte sich lange Zeit, selbst im Rentenalter noch, bei Aktionen des FR-Schlappekickers. Ohnehin war ihm das Soziale ein persönliches Anliegen.


Und natürlich liest er sie weiterhin, die Rundschau, wenngleich er sich zuletzt öfter darüber ärgert, nichts mehr von den Abendspielen der Frankfurter Eintracht im Blatt zu finden oder von der Champions League oder vielen anderen aktuellen Ereignissen.


Dann schreibt er lieber selbst, online. Auf seinem – von Sohn Oliver – eingerichteten Internet-Magazin „Stör-Signale – Erichs Privates Zeitungsmagazin“, ohne Werbung und ohne kommerzielles Interesse. Einfach, weil Erich Stör gerne scheibt. Selbst im hohen Alter noch, über Gott und die Welt, über das, was ihn interessiert. Und er darf sich einer treuen Lesergemeinde sicher sein. Größer jedenfalls als so manche E-Paper-Ausgabe.


Thomas Kilchenstein

 

 
 
 

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