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  • rweitbrecht

Farewell, lieber Poschi - Nachruf zum Tod von Wolf-Dieter Poschmann von Peter Leissl und Eike Schulz

Aktualisiert: 28. Sept. 2021


Wolf-Dieter Poschmann Foto ZDF/Rico Rossival

Wir können es alle nicht fassen! Keine drei Monate sind vergangen nach deinem Siebzigsten. Da hast du mein Glückwunsch-Video mit der dir eigenen Saloppheit beantwortet: „Ein Poschi wird nicht älter!“ Wie so viele andere war ich der Meinung, dass es dir gut ginge, bis auf die üblichen altersbedingten Reparaturen an einem Körper, dem schon in jungen Jahren eine Menge zugemutet wurde. Und nun verlässt du uns schon so schnell, lässt Deine Frau, Deine Freunde, die vielen Kolleginnen und Kollegen zurück in stummer Trauer.

Als du Mitte der 1980er an die Tür von Europas größter Fernsehanstalt klopftest, da warst du Leichtathletik-Fans schon ein Begriff, als einer von Deutschlands besten Langstreckenläufern. Ein Tempomacher, der eine hohe Frequenz vorgab. An der mussten sich die Konkurrenten orientieren, wollten sie dich am Ende auf der Zielgeraden abhängen. Diese hohe Frequenz behieltst du im journalistischen Leben bei. Den Leistungsgedanken des Spitzensports übertrugst du auf deinen neuen Job. Den Sprung vom Seiteneinsteiger an die Spitze einer 100 Personen starken Sportredaktion schafftest du so in nicht einmal zehn Jahren!


Natürlich gab es Leute, die dieses hohe Tempo nicht mitgehen wollten, welches ihnen der Langstreckenläufer/Sportchef diktierte. Aber eine Anpassung an das sich rapide modernisierende Umfeld tat not. Vorbei die Zeiten von Pionieren und Privilegien! Das hattest du erkannt, das wolltest du umsetzen, mit beeindruckender, manchmal auch beängstigender Konsequenz. Im Wettbewerb mit den immer selbstbewussteren Konkurrenten aus dem privaten Sektor gelang es dir, den ZDF-Sport an der Spitze zu halten.


Die letzten zehn Jahre deines Berufslebens, seit 2006, verliefen weitaus ruhiger. Der Chef trat zurück ins Glied, den Moderator Poschmann sah man immer seltener auf dem Schirm. Vom Reporter, der mitreißen konnte wie kaum ein Zweiter, hörte man weiterhin – in der Leichtathletik, im Eisschnelllaufen, auch im Fußball. Dieser Rückzug auf Raten, nicht immer selbst betrieben, schien dich zumindest besser vorzubereiten auf den nächsten Lebensabschnitt. Nach den Spielen von Rio 2016 war dann unwiderruflich Schluss. Pläne für das „Leben danach“ gab es gewiss etliche.


Von diesem Zeitpunkt an werden meine Informationen rarer: Der Pensionär Poschi aber soll weiterhin sehr sportlich unterwegs gewesen sein, zunehmend auch auf Golfplätzen. Früher waren sie ein perfekter Trainingsparcours für den Läufer gewesen, jetzt nahm er auch Schläger in die Hand. Wir sahen uns noch, wie könnte es anders sein, bei dem einen oder anderen Leichtathletik-Ereignis. Diese alte Liebe rostete nicht, du warst als Platzsprecher oder PK-Moderator weiterhin dicht dran an deinem Sport.


Wenn ich zurückdenke an die vielen gemeinsamen Erlebnisse unseres 30-jährigen gemeinsamen Berufslebens, dann kommt mir vieles so vor, als sei es gestern gewesen, auch die Würdigung, welche ich vor inzwischen fünf Jahren zu Deinem 65. schrieb – in der Annahme, es würden dir noch viele Jubiläen bevorstehen. Es stimmt mich sehr traurig, dass dies nun nicht mehr der Fall ist. Um im Bilde zu bleiben: Es kommt mir vor, als wäre der Tempomacher Wolf-Dieter Poschmann an der Glocke zur letzten Runde ausgeschieden und hätte das Ziel nicht erreicht.

Farewell, lieber Poschi!


Peter Leissl



Der Robert Redford des Sports „Ja Leute, was ist das? Ein Trainingslauf?” Kleine Pause. “Weltrekord!” Wir schreiben August 2008. Peking. 100 Meter der Männer, die olympische Show von Usain Bolt. Dazu die Handlungsschnelligkeit eines Reporters. Wolf-Dieter Poschmann in seiner wohl besten Rolle: Unvorhersehbares zu kommentieren. Mit einer Stimme, die Zahlen als Rekorde erst funkeln lässt. Ein Reporter, mit Herzblut und größter Empathie zur Leichtathletik. Eine Sportart, die er selbst als Läufer gelebt und geliebt hat. 12. September 2021. Das ISTAF, ältestes Sportfest der Leichtathletik-Welt, ist 100 Jahre alt. Drei Tage zuvor ist Wolf-Dieter Poschmann beerdigt worden. Mit 70! Kein Alter, indem man Lebewohl sagt! Wir wussten nichts von seiner Krankheit und der Tod sagt nicht wann. Eine Woche zuvor: Grill-Imbiss in Wiesbaden. Hinter der Theke unterhalten sie sich über Belmondo. Der sei gerade gestorben, sagt die Frau. Der Mann: „Und auch der Wolf-Dieter Poschmann.“ Wir unterhalten uns: „Ja“, sagt der Grillmeister, „das war die Stimme beim Fußball, bei der Leichtathletik, im ZDF.“ Ein Sportjournalist mit Belmondo auf einer Stufe – aus Volkes Mund. In den sozialen Medien schreibt der Leichtathletik-Journalist Martin Neumann: „Worte. Sie waren immer seine Stärke, seine Kraft. Uns fehlen sie gerade.“ Das Netz verbeugt sich. Er, der mit seinen blauen Augen 1986 auf den Lerchenberg kam. Alle Welt nennt ihn „Poschi.“ Sein Mentor: Dieter Kürten, der ihn lehrt, aus Sportereignissen Höhepunkte zu kreieren. Durch 280 Moderationen im aktuellen Sportstudio wird er zum Robert Redford des Sports. In seiner Krankheit bleibt er bis zum Schluss ein typischer Poschi: Stark sein, keine Schwäche zeigen. Keine Ausrede finden. Härte gegen sich selbst. Aus Robert Redford wird zum Ende John Wayne. Auch die ISTAF-Macher*innen sind sprachlos. Nicht nur diesem Sportfest hat er jahrzehntelang seine leidenschaftliche Stimme als Stadionsprecher „geliehen“. Nachrufe können auch Aufrufe sein, diese zu Ende zu lesen. Wolf-Dieter Poschmann polarisierte. In seiner Rolle als Sportchef, gerade mal 44 Jahre alt, war er auch oft Manager, wie sein Vater bei Siemens. Wolf-Dieter Poschmann verlangte von seiner Sportredaktion Perfektion, unstillbare Energie bis hin zur Atemlosigkeit, gar Selbstaufgabe. Vielen war das fremd, hat weh getan. Gar verprellt fühlten sich einige. Poschi war Zwilling, geboren in Köln. Durch den Beruf des Vaters an verschiedenen Orten wird er durch viele Schulen geschleust, zwischen München, Köln und Bensberg. Diese Rastlosigkeit hat auch ihn geprägt. Köln ist eine Art Liebe, hier lernt er seine spätere Frau Elfi kennen. Wird Türsteher, Platten-Aufleger, DJ im DING, der berühmten Studenten-Disko. Hält sich mit Taxifahrten über Wasser, führt mit Elfi ein Wein-Restaurant, die „Amphore“ in der Mauritiusstraße. „Einer“, so sagen seine ehemaligen WG-Mitbewohner, „der nie eine Krawatte anlegen wird“. Denkste! Zum 50. Geburtstag schenkt seine Redaktion ihm den Film: „Poschi rennt“: Anekdoten reihen sich an Anekdoten: Rolf Kramer kommentiert in den 70er Jahren seinen Lauf zu Ostern in Paderborn, ohne zu wissen, der wird mal Sport-Chef. Ein Taxifahrer nennt ihn Günter Poschmann. Wolf über sich selbst: „Wolf-Dieter nur, wenn es ernst wurde.“ Ein Reporter-Duo wächst zusammen und wird von Norbert König 2000 in Sydney verwechselt: „Und jetzt geht es weiter mit den Reportern Wolf-Dieter Leissl und Peter Poschmann!“ Seine Eltern nennen die ersten Sport-Worte auf Kölsch: Poschi ist drei Jahre alt und kommt begeistert vom Sportplatz: „Mami, da hat doch einer tatsächlich zum Schiedsrichter gesagt, du schäler Emmer.“ Erst Fußball, dann Leichtathletik. Rheinberg, Wattenscheid, ASV Köln. 1979: Stuttgart, die Deutschen Meisterschaften. Harald Schmid wird die Elite über 400 Meter besiegen, in 44,92 sec. Über 5000 Meter startet ein 28 Jahre alter Schlacks, zuvor im Trainingslager in den USA. Dort hat er sich auch mit einer neuen, schicken Hose eingedeckt. Nur die ist nicht regelkonform zum Leichtathletik-Vereins-Trikot von Wattenscheid. Ein schwäbischer Kampfrichter will einen Fehlstart von Poschi provozieren, „damit der Kerle hier aus dem Felde kommt“, weil er partout die Hose nicht wechselt. Ein anderer Kampfrichter hilft. Poschi bleibt im Rennen und wird am Ende Vierter, in 13:47,6 Minuten. Einer, der vom Decksteiner Weiher in Köln, über den Berliner Tiergarten bis hin zum Ober-Olmer Wald jede Laufstrecke kennt. In den stillen Jahren, nach dem Tod seiner Mutter, besucht er oft den Vater in Steinenbrück, der dort alleine im Bergischen wohnt. Auch das ist eine Seite. Die hilfsbereite: Er kauft Brötchen in Mainz, um mit Vater Otto gemeinsam zu frühstücken. Nach 170 Kilometern Autofahrt. Um ihm kein schlechtes Gewissen zu machen, erzählt Poschi eben von einem Abstecher von einer Dienstfahrt. Der Sohn war oft im Elternhaus frühstücken, bis der Vater im Alter von 94 im Februar 2020 stirbt. Als Poschi im Mai 70 wird, würdigt der Olympiasieger Nils Schumann in einer Kolumne „Poschis“ Strahlkraft als Reporter. Poschi antwortet mit einem langen Brief an Nils, den er als Reporter 2000 bildhaft ins Ziel „katapulierte“. Es ist das letzte Schreiben zwischen ihnen. Poschi, der das Lehramt studiert hatte, war Pate in Bethel für das Kinderhospiz und wenn Not in der Krankheit war, hat er Hilfe angeboten, natürlich nie ohne „platten Spruch“: „Mach uns den Babbel“, schrieb er mir im Herbst 2015, wohlwissend, dass Markus Babbel mit der gleichen Krankheit wie ich auch wieder laufen lernte - aus dem Rollstuhl heraus. Die Kunst, den Tod zu akzeptieren, ist das schwierigste Fach des Lebens und benötigt gleichermaßen Kraft, Gedanken zu teilen, um Trost überhaupt zu zulassen. Ein Großteil der heutigen Sportredaktion hat Poschi im ZDF vor über einem Vierteljahrhundert zusammengestellt und damit Karrieren ermöglicht. Viele haben durch ihn gelernt. Von einem, der aus seiner Sauna mit Glasfront am Sonntagabend mit einem Fernseher davor Sendungen nachbetrachtet hat, um in Konferenzen auf Fehler aufmerksam zu machen. Diese Kolleg*innen sind sein Erbe, auf das „Wolf“ stolz sein darf.


Eike Schulz




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