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Geschichte und Gesichter auf 168 Seiten



Kai Pfaffenbach macht das Abschlussselfie mit allen Protagonisten des Abends.

Vom Bernabeu-Stadion ins Eintracht-Museum: Weil besondere Ereignisse besondere Reisepläne erfordern, machte sich der Deutsche Sportmedienpreisträger Kai Pfaffenbach auf direktem Weg vom Schauplatz des Champions-League-Halbfinalspiels zwischen Real Madrid und dem FC Bayern München nach Frankfurt. Dort traf der vielfach preisgekrönte Fotograf der weltgrößten Agentur Reuters mehr als 100 Mitglieder, Gäste und Freunde des Vereins Frankfurter Sportpresse (VFS). Sie alle waren gekommen, um etwas aus der bewegten Geschichte des VFS zu erfahren, der 90 Jahre alt geworden war. Anlässlich dieses Geburtstages hatte ein vom VFS-Vorsitzenden Walter Mirwald angeleitetes Redaktionsteam viele Monate lang an einem Projekt gearbeitet, das in den Museumsräumlichkeiten im Erdgeschoss der Frankfurter Commerzbank-Arena der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Keine Broschüre, wie ursprünglich geplant, sondern ein 168 Seiten starkes Buch:  „1927 – 2017 Verein Frankfurter Sportpresse – Geschichte, Gesichter, Geschichten.“


   Im bestens besuchten Eintracht-Museum, das wegen der Buchvorstellung einen riesigen Ansturm erlebte, was auch Museums-Leiter Matthias Thoma und Eintracht-Vorstandsmitglied Axel Hellmann erfreute, war es die langjährige Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth, die launig und kenntnisreich in den Abend einführte und den Zuhörern zurief: „Das ist ein großartiges Buch. Dieses Buch gehört ins Stadtarchiv. Es hat so viele Fakten.“ Frau Roth, die seit mehreren Jahrzehnten schon regelmäßig mit dem VFS zum Skiseminar nach Hintertux fährt, berichtete in einer Art Tour d’Horizon von vielen Begegnungen mit den Großen des Sports. „Die Frankfurter Sportjournalisten haben mich hinter die Bühne gebracht.“ Dort traf sie unter anderem Muhammad Ali.


Petra Roth begeistert das Publikum mit ihrer Einleitung.

Neun Jahrzehnte gelebte VFS-Geschichte: „Wir haben eine Riesenentwicklung genommen“, sagte Mirwald, der nicht vergaß, den Ideengeber Fritz Weber zu diesem Buch zu erwähnen. Und natürlich wurde auch nicht vergessen, Zeitzeugen und Journalisten verschiedener Generationen aufs Podium zu bitten. Der 91 Jahre alte Herbert Neumann, ein Urgestein des VFS, Autor vieler Bücher und für so manche Kollegen eine Art spiritus rector des Frankfurter Sportjournalismus, bemängelte zwar die Dominanz des Fußballs und forderte dazu auf, mehr über die Vielfalt des Sports zu berichten. Doch dies ändert nichts daran, dass es für viele immer noch ein „Traumberuf“ ist, wie Hartmut Scherzer sagte. Das älteste noch aktive Mitglied des VFS – im Juni wird der rasende Reporter 80 – steht vor seiner 15. WM-Teilnahme – Weltrekord. „Sportjournalismus, das ist mein Leben“, sagte Scherzer, der berichtete, dass er bei der Geburt seiner Tochter Nicole nicht dabei sein konnte. Er war 1966 bei der Fußball-Weltmeisterschaft in England.


Unter der Moderation des einstigen FAZ-Sportressortleiters Jörg Hahn und der HR-Reporterin Martina Knief gaben der frühere Reck-Weltmeister und heutige Bundestagsabgeordnete Eberhard Gienger und die einst erfolgreiche Ruderin und jetzige Mitarbeiterin der Stiftung Deutsche Sporthilfe, Kathrin Boron, Einblicke in ihre Erfahrungen mit der Sportpresse. Die „Junge Feder“ Sebastian Reuter, mittlerweile festangestellter Redakteur bei FAZ.NET und dritter Sieger des Online-Preises im Berufswettbewerb des Verbandes Deutscher Sportjournalisten (VDS), sagte, dass es heutzutage „auch auf die Klickzahlen ankommt. Sport ist wichtig, und Reichweite ist auch wichtig“. Gienger vertrat die Auffassung, dass es der olympische Sport gegen den Fußball schwer habe. „Aber die Medienanstalten sagen, dass der Fußball zur Primetime nur zwanzig Prozent in der Übertragung ausmacht.“ Ruderin Boron berichtete von Medienseminaren, „in denen Sportler gezielt lernen, wie sie sich vor der Kamera verhalten und ausdrücken können.“


Walter Mirwald zeigt das Buch. Links Martina Knief.

Hinter der Kamera, das ist der Platz von Kai Pfaffenbach, der stellvertretend sagte: „Der Druck heute im Journalismus ist viel größer geworden. Die Fotografie hat sich neu erfunden.“ 500 aktuelle Reuters-Bilder vom Spiel der Königlichen gegen Real – längst eine Selbstverständlichkeit. Zum Selbstverständnis des Sportjournalismus gehört es auch, Flagge zu zeigen und eindeutig Positionen zu beziehen. Ein Kongress in der Türkei? Nicht mit dem VDS, wie Präsident Erich Laaser sagte. Man gehe nicht in ein Land, in dem es das Wort Pressefreiheit nicht gebe. Der seit bald zwei Jahrzehnten amtierende VDS-Präsident, davor unter anderem auch zwei Jahre in seiner Frankfurter HR-Zeit an der Spitze des VFS, entdeckte im prallgefüllten Museum so manch überraschtes Gesicht, als er sagte: „Ich habe früher direkt nach der Reportage O-Töne vom Platz geholt.“ Interviews mit Spielern und Trainern auf dem Spielfeld  – damals die Regel, heute undenkbar. „Der Sportjournalismus hat sich rapide geändert.“ Geblieben aber ist die Leidenschaft und Hingabe für einen Beruf, der trotz allem spannende und faszinierende Seiten bietet. Nachzulesen im „großartigen“ Jubiläumsbuch des VFS.


Ralf Weitbrecht




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