„Neutrale Rolle des DOSB ist ein Witz!“ Sylvia Schenk gibt bei LFH-Jahrestagung umfassenden Einblick in Situation der deutschen Olympiabewerbung
- jochenguenther
- vor 2 Tagen
- 2 Min. Lesezeit

Ein kleiner Tipp: Wer in kleinerer oder größerer Runde eine kompetente Darstellung der aktuellen Situation der deutschen Olympiabewerbung für die Spiele ab 2036 vermitteln will, der versuche, Sylvia Schenk als Referentin zu gewinnen. Niemand in der gut besuchten Mehrzweckhalle der Sportschule des Landessportbundes Hessen in der Frankfurter Otto-Fleck-Schneise zweifelte an ihrer Aussage, dass sie noch weitaus länger und tiefgreifender in die Materie hätte einsteigen können. Bald war klar, dass sie bei ihrem Vortrag „Olympiabewerbung – Chance für Deutschland in schwierigen Zeiten“ vor der Jahresversammlung des Leichtathletik-Fördervereins Hessen (LFH) noch viel mehr zu sagen hatte. Und das nicht nur, weil sie als Olympiateilnehmerin an den Spielen 1972 in München (Platz 10 im 800 Meter-Lauf) als Insiderin bezeichnet werden darf.
Für die ehemalige Leichtathletin gibt es keinen Zweifel an der Zielsetzung der Wiederholung der Spiele von München. „Es gibt nichts Tolleres als Spiele im eigenen Land“, lautete eines ihrer Credos schon zu Beginn ihrer rund einstündigen Ausführungen. Mit ihr stimmte der überwiegende Teil der rund 110 Köpfe zählenden Zuhörerschaft für das Vorhaben, Spiele im Zeichen der fünf Ringe in Deutschland stattfinden zu lassen. Das jüngste positive Votum in München (mit über 66 Prozent Ja-Stimmen bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmer) als einer der vier deutschen Bewerbungen hat auch Sylvia Schenk zuversichtlich gemacht. Doch sie mahnte: „Wir brauchen Argumente, um das bundesweit zu unterstützen.“
Genauso mahnte sie, dass die Sanierung der Sportinfrastruktur in Deutschland nicht durch, sondern für Olympia erfolgen müsse. Und die Kinder nicht durch die Spiele in Bewegung gebracht werden müssten, sondern für die Spiele.
"Ich erwarte Führung vom DOSB"
Die ehemalige Olympiateilnehmerin sieht noch einiges im Argen auf dem Bewerbungsweg. „Ich erwarte Führung vom DOSB“, sprach sie klare Kante, und wunderte sich über die gedachte Rolle des neutralen Schiedsrichters. „Die neutrale Rolle des DOSB ist ein Witz!“ Sie erkenne auch keine Vision der Bundesregierung für 2036. „Wie wollen wir Deutschland bis dahin gestalten?“ Dazu komme, dass Kirsty Coventry aus Simbabwe, die Nachfolgerin von Thomas Bach auf dem Präsidentenstuhl des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), den Bewerbungsprozess erst einmal gestoppt hat. Bis Juli 2026 solle das Bewerbungsverfahren feststehen, berichtete Schenk.
Auch Frankfurt könne von Olympischen Spielen in Deutschland profitieren
Auch wenn Frankfurt nicht zu den Bewerberstädten gehört (neben München sind es noch Berlin, Hamburg und Rhein-Ruhr/Köln), war sich die Referentin sicher, dass auch die Rhein-Main-Region von einer Vergabe nach Deutschland profitieren könne. Das wird Michael Lederer gerne gehört haben. Denn der ehemalige Mittelstreckler mit seiner besten Zeit in den 70er und 80er Jahren fungierte als Vorsitzender der LFH als Gastgeber der Veranstaltung. Mit den rund 60 Mitgliedern des Fördervereins spring man dort ein, „wo die Förderung noch nicht greift“. Rund 50 junge Menschen in der hessischen Leichtathletik, in der Regel 14, 15, 16 Jahre alt, würden über jeweils zwei Jahre mit Zuschüssen bedacht.
Unter den rund 110 Besuchern hätte das Kontingent der heimischen Sportmedienschaffenden etwas größer sein können bei der vom VFS-Ehrenvorsitzenden Walter Mirwald moderierten Veranstaltung. Aber sie alle haben ja die Möglichkeit, sich zu einem anderen Zeitpunkt und andernorts von Sylvia Schenk mit der Situation der deutschen Olympiabewerbung vertraut machen zu lassen.
Albert Mehl




Kommentare