75 Jahre Schlappekicker - eine Institution des Frankfurter Sports
- jochenguenther
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Von der Anfangszeit der Schlappekicker-Aktion liegt vieles im Dunkeln. Nur zwei Eckdaten sind zuverlässig: Irgendwann 1951 wurde die Idee geboren, unverschuldet in Not geratenen Sportlern zu helfen. Der Initiator war Erich Wick, Ressortleiter der FR-Sportredaktion. Bei der Frage, wieviel bei der ersten Weihnachts-Sammlung gespendet wurde, gibt es nur Schätzungen. Die Rede ist heute von 4000 DM.
Wick rief damals im FR-Sport zu Spenden auf. Alles geschah ohne Satzung, Verein und Vorstand. Der Anlass zum Start 1951 war eine Erkrankung des verletzt aus dem Krieg zurückgekehrten Eintracht-Nationalspielers „Hennes“ Stubb, deren Behandlung finanzielle Unterstützung erforderte. Seitdem wurde Jahr für Jahr zu Gunsten von Bedürftigen gesammelt, im Zeichen des Wiederaufbaus wurde ihnen oft Geld für Kohle zum Heizen gezahlt.
Parallel dazu entwickelten sich schnell soziale Schlappekicker-Aktivitäten. Die Schlappekicker-Familie wuchs dadurch zusehends und avancierte für viele zu einem Stück Heimat. Gemeinsam wurde die Freizeit gestaltet und bis in die 70er Jahre gab es regelmäßig Schlappekicker-Einladungen für Ausflugsfahrten per Bus und Main-Schiff oder Volkstheater-Theaterbesuche.
Für viele ein Stück Heimat
Der Tod von Erich Wick im Jahre 1968 war ein Einschnitt, aber auf den Schlappekicker blieb Verlass. In seine Fußstapfen trat der neue FR-Sportchef Bert Merz. Einen Meilenstein in der Schlappekicker-Historie bescherte 1981. Wieder spielte ein Eintracht-Nationalspieler die entscheidende Rolle. Anfang des Jahres bat er für seine größere Spende um eine Bescheinigung, deren Ausstellung wegen des inoffiziellen Charakters der Sammlung aber nicht möglich war. Das führte am 16. Dezember 1981 zur Gründung des Schlappekicker-Vereins. Bei der ersten Weihnachts-Sammlung des „e. V.“ standen 1982 stolze 61.361,38 DM als Spendenergebnis unterm Strich.
Im Jahr des 75jährigen Schlappekicker-Bestehens anno 2025 steht eine Gesamtspendensumme von knapp drei Millionen Euro seit 1951 zu Buche. Von 2017 bis 2024 lag pro Jahr die durchschnittliche Spendensumme bei 50.405,09 Euro.
Jahrzehntelang ein Höhepunkt - die Weihnachtsfeier
Doch zurück zu den Schlappekicker-Aktivitäten in 75 Jahren: Im Mittelpunkt aller Veranstaltungen stand fast fünf Jahrzehnte die Weihnachtsfeier. Im Römer-Casino, Haus Dornbusch, auf dem Henninger Turm und zuletzt im Bürgerhaus Nordwest trafen sich vom Ende der 50er Jahre bis 2003 kurz vor Heiligabend von Vereinen gemeldete bedürftige Sportler und Ehrenamtliche.
Unvergessen bleiben besonders die lustigen und besinnlichen Feiern im Drehrestaurant des Henninger Turms. Für die Unterhaltung sorgten hessische Künstler, die dank der Kontakte der Frankfurter Karnevalisten Karl Oertl und Benny Maro zu Schlappekicker-Freunden wurden. Etwa Liesel Christ, im TV als „Mama Hesselbach“ bekannt geworden, oder Lia Wöhr und Reno Nonsens, Wirtin und Ober in der Kultsendung „Blauer Bock“. Ebenfalls dabei: Franz Lambert, der Star an der Hammondorgel, der später bei WM-Turnieren für die FIFA aufspielte, und ARD-Börsen-Guru Frank Lehmann, der sich in der Rolle des Mundartkünstlers pudelwohl fühlte.
Eintracht-Prominenz spielt eine dominierende Rolle
Im Mittelpunkt stand aber stets der Sport und hier zuerst der Fußball. Die Eintracht-Prominenz spielte immer eine dominierende Rolle. Ständige Gäste waren anfangs die Mitglieder der 59er-Meistermannschaft mit Trainer Paul Oßwald, den Spielern Richard Kress, Alfred Pfaff, Dieter Lindner und Dieter Stinka. Später waren es Jürgen Grabowski, Bernd Hölzenbein, Bernd Nickel, Andreas Möller, Manfred Binz – und natürlich Karl-Heinz Körbel.
Apropos Körbel: Bis heute erzählt er von seiner ersten Begegnung mit Fritz Walter auf dem Henninger Turm. „Ich bin der Fritz“, sagte damals spontan der Kapitän der Nationalmannschaft, die 1954 mit dem WM-Triumph beim „Wunder von Bern“ nicht nur sportlich in die deutsche Nachkriegsgeschichte einging, zum 18jährigen Eintracht-Talent – und Körbel berichtet heute nur allzu gern: „Die Werte von Fritz waren mir wichtig, und ich habe mich daran immer orientiert“. Eine Konsequenz daraus: Seit den 80er Jahren war Fritz Walter der Schirmherr der Schlappekicker-Aktion, nach seinem Tod 2002 übernahm Karl-Heinz Körbel diese Aufgabe.
Illustre Gästeliste mit Völler, Herberger, Schön und Ribbeck
Die Gästeliste bei den Schlappekicker-Feiern war stets eindrucksvoll: Franz Beckenbauer, Rudi Völler, Sepp Herberger, Helmut Schön, Jupp Derwall und Erich Ribbeck fehlten ebenso wenig wie die Eintracht-Trainer Felix Magath, Udo Klug, Lothar Buchmann, Dietrich Weise, Jörg Berger und Dragoslav Stepanovic. Oft dabei waren auch die FSV- und FFC-Nationalspielerinnen Birgit Prinz und Steffi Jones oder Kickers-Idol Hermann Nuber.
Illustre Besucher waren außerdem die Olympiasieger und- Starter Armin Hary, Josef Neckermann, Michael Groß, Harald Schmid, Conny Hanisch, Marika Kilius und Sylvia Schenk.
Ein gern gesehener Gast bis zu ihrem Tod 2017 war die Kunstturnerin Christel Müller, die nach einem Trainingsunfall ihr Schicksal im Rollstuhl in bewundernswerter Weise meisterte. Über 30 Jahre wurde sie durch Schlappekicker-Spenden unterstützt. In den 90er Jahren wurde außerdem Rüdiger Böhm intensiv geholfen: In Darmstadt wurde der 98er-Jugendfußballtrainer mit seinem Fahrrad von einem Lastwagen überrollt, beide Beine mussten amputiert werden. Heute gilt die Schlappekicker-Unterstützung drei ebenfalls unverschuldet in Not geratenen Sportlern: Peter Fischer (früher Kapitän der hessischen Amateur-Fußballauswahl) nach der OP wegen eines Gehirntumors sowie den querschnittgelähmten Johannes Hablik (mehrmaliger Kunstturnmeister) und Felix Mack (Fußballer in Oberliederbach).
Integration und Inklusion
Eine Zäsur bescherten die 90er Jahre der Schlappekicker-Aktion: Die Hilfe für „Einzelschicksale“ blieb ein Schwerpunkt. Einen neuen, nachhaltigen Akzent setzte der Schlappekicker-Vorstand jedoch mit seinem gesellschaftlichen Engagement. Davon profitieren seitdem zahlreiche Vereine, die sich für Themen wie Integration, Inklusion oder Kampf gegen sexuelle Gewalt einsetzen.
Verleihung Schlappekicker-Preis im Kaisersaal
Ein Konzept mit klar formulierten Inhalten als Antwort auf die modernen Herausforderungen liegt der aktuellen Schlappekicker-Arbeit zu Grunde. Die Verleihung des mit 5000 Euro dotierten Schlappekicker-Preises im Kaisersaal des Römers mit Frankfurts OB Mike Josef kurz nach Eröffnung des Weihnachtsmarkts – in diesem Jahr am 24. November - ist der Höhepunkt des Schlappekicker-Jahres.
Feste Termine sind zudem das Benefizspiel der Eintracht-Traditionsmannschaft und der Abend für Schlappekicker-Freunde im Eintracht-Museum mit Interview-Gästen wie Axel Hellmann, Markus Krösche und Alex Meier. Ebenfalls etabliert hat sich der in Zusammenarbeit mit dem Hessischen Fußball-Verband eingeführte Tag für Jung-Schiedsrichter der Rhein-Main-Region, bei dem Felix Brych 16 Stunden nach seinem Kreuzbandriss 2023 im Frankfurter Stadion zu Gast war. Und kontinuierlich an Bedeutung gewinnt das Inklusionsfest, dessen Gastgeber der Sportkreis Frankfurt ist und bei dem fünf Preisträger jährlich je 3000 Euro aus der Schlappekicker-Kasse erhalten – dazu kommen Langzeitprojekte wie das „SOS–Kinder- und Familienzentrum Sossenheim“ mit einer Auszeichnung von 4000 Euro pro Jahr und einmalig mit 2000 Euro unterstützte Vereinsinitiativen.
„Der Schlappekicker ist eine Institution des Frankfurter Sports“, hat Rudi Völler einmal gesagt. Diesem Anspruch will der achtköpfige Schlappekicker-Vorstand, dessen Vorsitzender seit 2017 der ehemalige FR-Chefredakteur Arnd Festerling ist und dem auch DFB-Frauenfußball-Direktorin Nia Künzer angehört, in Zukunft weiterhin gerecht werden.
Klicken Sie online schlappekicker.de und dort „75 Jahre Schlappekicker in 75 Bildern“ an, um viele Höhepunkte der FR-Aktion zu sehen.
Harald Stenger
Der Autor Harald Stenger war von 1970 bis 2001 FR-Sportredakteur, langjähriges Schlappekicker-Vorstandsmitglied und ist heute stellvertretender Vorsitzender.




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