Fair Play-Preis des deutschen Sports: „Wo Herz und Charakter zählen“
- jochenguenther
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Aktualisiert: vor 6 Stunden

Fair Play-Preis des deutschen Sports an Grundschüler Noah Steinert verliehen / Sonderpreise für Jürgen Klopp und Antenne Bayern
Zum elften Mal veranstaltete die Deutsche Olympische Akademie (DOA) ihr „Biebricher Schlossgespräch“ im Prunkbau am Rhein. Noch länger schon wird der Fair Play-Preis des deutschen Sports verliehen. Doch selten präsentierten die aktuellen Preisstifter Deutscher Olympischer Sportbund (DOSB) und Verband Deutscher Sportjournalisten (VDS) ein solches außergewöhnliches Paar im Zeichen des Fair Play im Rampenlicht der Rotunde des Schlosses: Der erst elf Jahre alte Schüler Noah Steinert und die mit dem Sonderpreis geehrte Fußballtrainer-Legende Jürgen Klopp. Ein zweiter Sonderpreis ging an den Radiosender Antenne Bayern, der zusammen mit dem Bayerischen Fußball-Verband (BFV) das erfolgreiche Projekt „Bleibt’s entspannt am Spielfeldrand“ ins Leben gerufen hat. Belobigungen erhielten der Sportschütze Florian Peter und der TC Dettingen.
Noah Steinert: Sieger der Herzen
Doch erst einmal galt alle Sympathie Noah Steinert. Er werde der „Sieger der Herzen“, würdigte Moderator Eike Schulz (ZDF und Verein Frankfurter Sportpresse) die kleine Tat des Elfjährigen aus dem thüringischen Ilmenau, der mit Eltern und Freund Karl Sauerbrey sowie Ilmenaus Bürgermeister an den Rhein gekommen war. Dieser, ein leidenschaftlicher Bogenschütze, hatte bei einem Crosslauf seiner Grundschule in Führung gelegen, als sein Freund, besagter Karl Sauerbrey, über eine Baumwurzel gestürzt war und mit dem Fuß nicht mehr auftreten konnte. Steinert ließ Führungsposition Führungsposition sein und half seinem Freund, die Strecke mit vermindertem Tempo gemeinsam bis ins Ziel zu bewältigen. „Ich wollte ihm halt helfen“, sagte der kleine Preisträger fast lapidar, während sein Freund anerkennend zurückblickte: „Das fand ich echt cool.“ Wegen eines Dankeschöns müsse er sich aber noch etwas einfallen lassen.
Laudatorin Michelle Kroppen (als Bogenschützin zweifache Olympiamedaillen-Gewinnerin) fasste das vorbildliche Verhalten in treffende Worte: „Manchmal zeigt sich wahre Größe im kleinen Augenblick der Grundschule.“ Bei Gelegenheiten, wo „Herz und Charakter“ zählten. An den Jungen aus Ilmenau gerichtet, sagte sie: „Das, Noah, ist wahre Größe! Das ist wahres Fair Play.“ Einerseits könne das nicht jeder, andererseits habe sie diese Aktion auch persönlich inspiriert. „Du hast mich und viele andere mitten ins Herz getroffen.“
Jürgen Klopp - Fairness für Verein und Nachfolger
Als ein Trainer der Herzen kann auch Jürgen Klopp eingestuft werden nach seinen Stationen bei Mainz 05, Borussia Dortmund und dem FC Liverpool. Im Blickpunkt im Biebricher Schloss stand der vorgezogene Abschied aus dem laufenden Vertrag bei den Liverpoolern nach seiner Trainertätigkeit an der Anfield Road. Der per Video eingespielte Laudator Campino von der Band „Die Toten Hosen“, ein guter Freund des 57-Jährigen, lobte „die Art und Weise, wie Du nach neun Jahren Liverpool verlassen hast“. Ganz im Sinne der Fair Play-Preis-Jury. Vor allem, dass er bei seinem Abschied das Publikum animierte, statt seines Namens den seines Nachfolgers, des Niederländers Arne Slot, zu skandieren, vermittelte ein Bild von Klopps Verhalten. Der Geehrte gab sich nach der Würdigung ein bisschen verhaltener. „Ich weiß nicht, ob ich mich immer fair verhalten habe“, sagte er in Biebrich. Aber er habe sich „richtig“ verhalten. Und richtig sei für ihn fair. Er gab aber auch zu: „Man muss sich das auch leisten können.“
Die Resonanz der Initiative, die für den zweiten Sonderpreis ausgewählt worden war, lässt sich auf über tausenden Sportplätzen in Bayern nachverfolgen. Dort hängen Banner mit der Aufschrift „Bleibt’s entspannt am Spielfeldrand“. Sie resultieren aus einer Aktion des Radiosenders Antenne Bayern mit dem Landesverband der Kicker. Das sei ein Projekt, „das wirklich etwas bewegt“, sprach Laudator André Keil, der Präsident des VDS, seine Anerkennung aus. Denn die Initiative habe für „echte Veränderung“ gesorgt. Das würden vor allem Schiedsrichter berichten, dass die Wutausbrüche von Fans und Eltern rund um die Fußballplätze deutlich abgenommen hätten. Das komme fröhlich und entspannt daher, rege aber zum Nachdenken an, lobte Keil. „Die Erfolge geben uns recht, man kann das Umfeld ein bisschen verändern“, freute sich Ralf Zinnow von Antenne Bayern, der den Preis zusammen mit seinem Kollegen Kevin Jackson sowie BFV-Vizepräsident Jürgen Pfau entgegennahm.
Künstliche Intelligenz - Spielanalysen im Teamsport
Für den bei den Schlossgesprächen üblichen inhaltlichen Impuls hatte Daniel Memmert gesorgt. Der Professor am Institut für Trainingswissenschaft und Sportinformatik an der Deutschen Sporthochschule in Köln informierte in einem Parforceritt unter dem Titel „Sport und Künstliche Intelligenz“ über den aktuellen Stand der Nutzung von KI bei Spielanalysen im Mannschaftssport. Sein Fazit: „Menschen können nicht alles erkennen. Deshalb sind Daten wichtig.“ Jürgen Klopp ergänzte im Gespräch, dass diesbezüglich schon viel gemacht werde in den Vereinen. Das Feedback werde immer schneller. „Das ist mein Alltag gewesen.“ Andererseits plädierte er dafür, sich bei der Umsetzung der Daten nicht zu sehr auf die Daten zu verlassen und sich mehr Zeit zu lassen. Die Menschen brauchten oft längere Zeit, um sich zu entwickeln. So geißelte er etwa, dass bei jungen Fußballlern schon mit 16 oder 17 Jahren eine endgültige Entscheidung über seine sportliche Zukunft gefällt werde. „Dieser Wahnsinn muss aufhören.“
Albert Mehl
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